Kostenlose Beratung

Haben Sie Fragen zu unseren Angeboten oder zur Buchung?
Wir beraten Sie gerne MO-FR von 09-20 Uhr und SA-SO von 10-14 Uhr!

Tel.: +49 8651 71511-0

Ausflugstipps
Menschen
Veröffentlicht am 23.02.2023
von Hannes

Rotkäppchen und Raufbolde

Das Rugby-Team aus Bad Reichenhall

 

Es ist ein nasser Samstagvormittag auf dem Sportgelände des RFC Bad Reichenhall. Über Nacht ist ordentlich Regen heruntergekommen und der Rasenplatz im Stadtteil Marzoll meldet sich bei jedem Schritt schmatzend zu Wort. Perfektes Rugbywetter! Und das Match der Reichenhaller Raufbolde gegen die Münchner Studentenstadt wird in wenigen Minuten angekickt.

Während die Fans bereits den nächsten Regenguss mit Bratwurst vom Grill und dem ein oder anderen hopfigen Kaltgetränk abwehren, wärmen sich die Spieler noch auf. Die Wadln, Oberschenkel und vor allem die Schultern müssen aktiviert werden, denn mit Hilfe derer versuchen 15 Mann auf der einen Seite, den Ballträger auf der anderen umzuhauen. Naja, das Wort “Umhauen” klingt etwas drastisch, “Tackeln” trifft es da eher. Den Gegenüber durch eine gut getimte Umarmung unterhalb der Schulter von den Füßen zu holen, ist nicht nur erlaubt, sondern das Ziel des verteidigenden Teams. Hat man den Ball dann erobert, muss dieser möglichst schnell in die Endzone der anderen Seite befördert werden. Um den 15 Gegenspielern zu entkommen, braucht es Schnelligkeit, Taktik und das richtige Gespür für die wenigen offenen Räume des umfunktionierten Fußballplatzes.

Rugby hat in den Ohren der Reichenhaller noch einen sehr exotischen Klang. Während dieser Sport in Ländern wie Neuseeland, Australien oder Südafrika eine Religion ist, wird es hierzulande vor allem mit American Football verwechselt. Das Team der Raufbolde besteht zur Hälfte aus Spielern der eigenen Jugendarbeit und zur anderen Hälfte aus Zugezogenen aus aller Welt. Wenn der RFC spielt, versammeln sich in etwa zehn verschiedene Nationen auf dem Rasen - ein einzigartiger Mix der Kulturen zwischen den Erhebungen der Reichenhaller Berge.

Pünktlich zum Ankick hat es sich ausgeregnet. Die Berggipfel des Hochstaufen und die Nase der schlafenden Hexe lassen sich im Hintergrund bereits erahnen, als das Ei hoch über das Spielfeld fliegt. Ein Spieler fängt den Ball und los geht die Partie. Die Nervosität ist verflogen, der Kopf ist im Spiel. Stehst du nämlich neben dir oder zögerst du auch nur im Geringsten beim unumgänglichen Körperkontakt, bricht das gegnerische Team nicht nur durch die Verteidigungslinie, sondern dazu noch deine Knochen. Der Zusammenprall zweier durchtrainierter Athleten verträgt keinen Rückzug, sondern braucht Vertrauen in sich und in die Mitspieler neben dir. Alle spielen am Limit. Bist du klein, leicht und flink, läufst du zwar den ersten beiden mit deinen schnellen Haken davon, doch wirst dann umso härter gestoppt. Bist du groß, stark und furchteinflößend, machst du die Gegner zwar nervös, doch schaust hinterher, wenn sie dich auf dem falschen Fuß erwischen. In kaum einem anderen Sport werden deine Schwächen derart hart bestraft, wie im Rugby. Aber auch kaum ein anderes Spiel ist so fair. Der Schiedsrichter genießt am Spielfeld höchsten Respekt. Wer von anderen Ballsportarten so manche Pöbelei gewohnt ist (sorry, Fußball), wird vom freundlichen Ton des Rugby überrascht sein.

Warum die Reichenhaller seit 2008 Rugby spielen, hat viele weitere Gründe. Natürlich ist es Sport und der hält fit, aber da steckt noch mehr dahinter. Im Rugby finden Hobbysportler Anschluss, den sie woanders nicht fühlen. Vorurteile gegenüber Körperbau sind hier fehl am Platz. Denn eine starke Mannschaft braucht einen ausgewogenen Kader mit Menschen jeglichen Fitnesslevels und Charakters. Es braucht die schnellen Flinken auf dem Flügel genauso sehr wie die schweren Kaliber als Stürmer. Es braucht hitzige Gemüter und die Ruhepole. Es braucht Brechstangen und filigrane Taktiker. Nur wenn die Stärken der einen die Schwächen der anderen neutralisieren, ziehen alle an einem Strang - auf und neben dem Feld. Dann wird das Team zur zweiten Familie, denn Adrenalin schweißt zusammen. Vor allem die internationalen Spielerinnen und Spieler finden beim RFC den ersten Halt in einem fremden Land. Die Suche nach Anschluss, die Steigerung von Selbstvertrauen, oder es den Freunden und Familie mal so richtig zu zeigen - alle haben ihre eigenen Gründe. Und alle investieren viel Zeit, Energie und gehen berufliche Kompromisse ein, um Amateursport zu feiern.

Auf dem Marzoller Sportplatz blitzt in der zweiten Halbzeit tatsächlich die Sonne noch durch. Die Raufbolde müssen das Heimspiel gewinnen, denn am vergangenen Wochenende lief es auswärts nicht ganz so optimal. Heute sieht es besser aus. Unter den Anfeuerungsrufen der Fans hat es Reichenhall zweimal geschafft, einen sogenannten Try in der Endzone der Münchner zu legen und den anschließenden Kick zwischen die beiden Pfosten zu verwandeln.

Unter dem Publikum gibt es auch viele Rugby Damen, die heute zwar Spielpause haben, aber an anderen Tagen genauso um den Ball kämpfen. Rugby Sevens heißt die Disziplin, welche die Damenmannschaft des RFC, die Rotkäppchen, im Turniermodus spielt. Die bayerischen Damenmannschaften treffen sich regelmäßig an unterschiedlichen Austragungsorten und ermitteln im Laufe des Jahres das beste Team des Landes. Statt fünfzehn Spielerinnen stehen sich sieben auf jeder Seite gegenüber, was bei gleicher Spielfeldgröße enorme Kondition verlangt.

Es ist nicht immer einfach, neue Spielerinnen und Spieler für das Team zu gewinnen. Im ersten Moment lassen sich die Meisten schnell begeistern. Doch Vereine haben zunehmend Probleme damit, Frischlinge an eine Mitgliedschaft zu binden. Denn spätestens nach der ersten Rugby-Youtube-Recherche wird dann doch auf ein Probetraining verzichtet. “Mädchen machen so etwas doch nicht“, wäre der erwartete Kommentar der Großeltern. Und Rugby ist auch in den Köpfen junger Generationen immer noch eine Männerdomäne. Doch die Rotkäppchen sind der Beweis, dass sie ordentlich beißen können, wenn der böse Wolf in Form gegnerischer Teams anklopft und meint, Ligapunkte wegfressen zu können.

 

Im Endeffekt bleibt festzuhalten, dass Rugby ein Sport ist, der die entspannten Alpenländler noch richtig überraschen kann. Und auch wenn die Spielerinnen und Spieler am Feld schreien, fauchen und keuchen, sind sie danach gern auf einen Plausch zu haben und freuen sich sehr über interessiertes Publikum oder zukünftige Raufbolde und Rotkäppchen.

Der Schiedsrichter pfeift ab. Die Raufbolde haben gewonnen. Es folgt das Ritual, am Ende des Spiels Feedback vom Schiedsrichter anzunehmen und sich bei ihm und der gegnerischen Mannschaft ausführlich für die blauen Flecken zu bedanken. Nicht selten läuft dann auch mal wieder jemand nackt über das Feld, aber das bedarf hier keiner weiteren Ausführung. Da musst du schon selbst vorbeischauen.

 

 

Für weitere Infos besucht den Instagram Channel @badreichenhallrugby oder die Website

Fotos © Imanuel Thallinger

Cookie Einstellungen

Wir setzen automatisiert nur technisch notwendige Cookies, deren Daten von uns nicht weitergegeben werden und ausschließlich zur Bereitstellung der Funktionalität dieser Seite dienen.

Außerdem verwenden wir Cookies, die Ihr Verhalten beim Besuch der Webseiten messen, um das Interesse unserer Besucher besser kennen zu lernen. Wir erheben dabei nur pseudonyme Daten, eine Identifikation Ihrer Person erfolgt nicht.

Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.